Das Voynich-Manuskript ist eines der rätselhaftesten Bücher der Welt. Seit über 100 Jahren versuchen Historiker, Kryptologen, Hobby-Forscher und Übersetzer, den geheimnisvollen Text zu entschlüsseln. Die große Herausforderung: Das ganze Werk ist in unbekannter Schrift und Sprache verfasst! Niemandem ist es bisher gelungen, dem Voynich-Manuskript seine Geheimnisse zu entlocken. Grund genug, den Rätseln des Textes auf den Grund zu gehen!
Das mysteriöseste Buch der Welt
Neben dem unverständlichen Text finden sich auf den gut 100 Buchseiten auch viele Bilder von unbekannten Pflanzen und Sternbildern. Ein ganzes Kapitel ist voller Abbildungen von nackten Frauen in Wannen. Die Forscher sind sich uneinig, was das zu bedeuten hat. Manche erkennen badende Frauen in einer Art Wellness-Oase, für andere sollen hier anatomische Themen wie Schwangerschaft und Geburt dargestellt sein. Wer möchte, kann selbst auf der Webseite der Beinecke Rare Book & Manuscript Library in einer digitalisierte Version des Manuskripts stöbern.
Wer schrieb das Voynich-Manuskript?
Auch die Herkunft des Manuskripts ist – wie sollte es anders sein – geheimnisumwittert: Der Antiquar Wilfried Voynich erwarb das Buch 1912. Deshalb trägt das Manuskript auch heute Voynichs Namen. Sein ganzes Leben lang verheimlicht Voynich die Herkunft des Buches. Erst nach seinem Tod im Jahr 1930 durfte schließlich ein Brief geöffnet werden, in dem das Mondragone-Kolleg in Italien als Herkunftsort genannt wird.
Über die Frage, wann und wo das Voynich-Manuskript entstanden ist und wer es geschrieben haben könnte, gibt es hitzige Debatten. Wilfried Voynich selbst hatte Roger Bacon (1220-1292) als Urheber im Verdacht. Bacon war einer der ersten mittelalterlichen Gelehrten, der sich intensiv mit Mathematik, Optik und Astronomie beschäftigte. Auch als Alchemist soll er tätig gewesen sein: Neben Schwarzpulver soll Roger Bacon auch einen sprechenden magischen Kopf hergestellt haben, der in die Zukunft sehen konnte. Das Voynich-Manuskript würde damit gut zu diesem mittelalterlichen Alchemisten passen.
Moderne naturwissenschaftliche Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass das Manuskript wohl aus der Zeit zwischen 1404 und 1438 stammt. Roger Bacon kann es also nicht verfasst haben. Inzwischen wurde schon fast jeder Gelehrte des frühen 15. Jahrhunderts als Verfasser verdächtigt, darunter natürlich auch Leonardo da Vinci.
Amerikanische Forscher behaupten auf Basis der abgebildeten Pflanzen dagegen, dass das Manuskript ursprünglich aus Mittelamerika stammen müsse. Selbst Aliens wurden schon als Verfasser in Erwägung gezogen.
Schrift und Sprache des Manuskripts
Doch lässt sich der Text des Voynich Manuskripts überhaupt übersetzen? Oder handelt es sich vielleicht nur um sinnlose Krakeleien, die keine Bedeutung haben? Tatsächlich weist der Text einige interessante Merkmale auf:
- Aufgrund des ungleichmäßigen rechten Rands kann festgestellt werden, dass der Text von links nach rechts geschrieben wurde.
- Die Schriftzeichen sind durch kleine Zwischenräume voneinander getrennt, könnten also tatsächlich Buchstaben sein.
- Größere Zwischenräume im Text könnten einzelne Wörter definieren.
- Längere Textpassagen sind in Absätze gegliedert.
- Der Schreiber war in Sprache und Schrift offenbar geübt, denn er schrieb sehr flüssig und musste sich nie korrigieren.
- Insgesamt gibt es circa 170.000 einzelne Glyphen im Text, das Alphabet des Voynich-Manuskripts besteht aus circa 20 bis 30 unterscheidbaren Zeichen.
Der Text ist wohl sinnvoll in Wörter und Absätze gegliedert und besteht aus einem begrenzten Alphabet. Wissenschaftler haben sogar ein eigenes Voynich-Alphabet (den sogenannten „EVA Hand 1 Font“) entwickelt, das man sich herunterladen kann und so selbst geheimnisvolle Botschaften verfassen kann. Eine Übersetzung erscheint also durchaus möglich.
Übersetzungsideen: Was könnte der Inhalt sein?
Schon oft haben Menschen behauptet, sie hätten den Text des Voynich-Manuskripts entschlüsselt. William Romaine Newbold war einer der ersten: Er behauptete, eine „Mirkoschrift“ in den mikroskopisch kleinen Unregelmäßigkeiten der einzelnen Zeichen entdeckt zu haben. Mit viel Phantasie erkannte er unter dem Mikroskop winzige griechische Buchstaben. Wirklich entschlüsseln ließ sich der Text so aber nicht.
Der Verschlüsselungs-Experte William Friedmann, der während des 2. Weltkriegs immerhin den japanischen PURPLE-Code geknackt hatte, versuchte sich ebenfalls am Voynich Manuscript. Er kam zu dem Ergebnis, dass das Buch in einer unbekannten Plansprache geschrieben wurde, die sich an keiner existierenden Sprache orientierte, sondern komplett neu entwickelt wurde. Entschlüsseln konnte Friedmann diese Plansprache jedoch nicht.
Mit der Zeit mehrten sich die Stimmen, die eine ganz neue Theorie vorschlugen: Das Buch war nur ein Scherz eines Gelehrten aus der Frühen Neuzeit, der so seine Mitmenschen ärgern wollte. Der Texte bestehe also nur aus sinnlos aneinandergereihten Phantasiezeichen und habe keine Bedeutung. Doch Pergament war im 15. Jahrhundert ebenso teuer wie die verwendete Tinte. Außerdem war der Zeitaufwand für die Erstellung von Text und Zeichnungen enorm – das musste also schon ein sehr reicher und ehrgeiziger Scherzkeks gewesen sein!
Kann man das Voynich-Manuskript übersetzen?
Inzwischen haben computerbasierte Auswertungen neue Erkenntnisse gebracht. So folgt zum Beispiel die Worthäufigkeit dem Zipfschen Gesetz und die Wortentropie entspricht mit etwa 10 Shannon pro Wort der von Sprachen wie Englisch oder Latein. Neben diesen statistischen Auswertungen wurde das Voynich-Manuskript auch phonotaktisch analysiert. Dabei untersucht man, ob es in einer Sprache bestimmte Regeln gibt, wie Laute innerhalb eines Wortes kombiniert werden dürfen. Der Voynich-Text enthält etwa 35.000 Wörter, deren phonotaktischen Eigenschaften denen einer natürlichen Sprache entsprechen. Auch dass manche Zeichenkombinationen nie im Text erscheinen, spricht gegen eine willkürliche Anordnung der Glyphen.
Es gibt aber auch einige große Einschränkungen. So gibt es kaum Wörter mit mehr als zehn oder weniger als drei Zeichen. Diese statistische Verteilung der Wortlängen ist zumindest ungewöhnlich. Unmittelbare Wiederholungen des gleichen Wortes (oder einer Variante dieses Wortes) kommen dagegen ungewöhnlich häufig vor – auch das ist ungewöhnlich. Andererseits finden sich bestimmte Zeichengruppen (bzw. Wörter) nur in manchen Abschnitten und sonst nirgendwo. Das macht eine thematische Gliederung des Textes wiederum wahrscheinlicher.
Wem gelingt die Übersetzung?
Das Voynich-Manuskript bleibt also kein Buch mit sieben Siegeln, doch entscheidende Erkenntnisse zum Inhalt konnte die Forschung bisher nicht liefern. Vielleicht werden computergestützte Verfahren und statistische Auswertungen in Zukunft mehr Licht ins Dunkel bringen. Doch bis es so weit ist, darf fleißig weiter gerätselt werden, was es mit dem mysteriösen Voynich-Manuskript auf sich hat.
Quelle: Wikipedia