5 berühmte Übersetzer, die jeder kennen sollte

Übersetzer stehen nicht oft im Rampenlicht. Wir finden: Das muss sich ändern! Denn Übersetzerinnen und Übersetzer leisten oft herausragende Arbeit. Hier 5 berühmte Übersetzer, die absolute Meisterleistungen vollbracht haben und die jeder kennen sollte:

Sir Richard Francis Burton (1821-1890)

Richard Francis Burton war ein begnadetes Sprachgenie: Als Kind lernte der Engländer bereits Französisch und Italienisch, an der Universität dann auch Arabisch. Am Ende seines Lebens soll er mindestens 25 verschiedene Sprachen gesprochen haben – darunter Sanskrit, Paschtu, Aramäisch und Farsi.

Doch Richard Francis Burton war auch ein Abenteurer, der sich nur schwer an Regeln halten konnte. Nachdem er von der Universität geflogen war (er hatte verbotenerweise ein Pferderennen besucht), wurde er Soldat in Indien. Dort studierte er die indischen Sprachen und hielt sich sogar ein paar zahme Affen, um auch deren Sprache zu lernen. Seine Bewunderung fremder Kulturen kannte keine Grenzen – umso kritischer stand er deshalb der oft rassistischen und ausbeuterischen Kolonialpolitik der Briten gegenüber.

Lange hielt es Richard Francis Burton nicht in Indien: 1853 unternahm er eine Pilgerreise nach Mekka. Ein lebensgefährliches Unternehmen, denn Europäern war damals der Zutritt zu der heiligen Stätte unter Todesstrafe verboten. Kurz darauf schloss er sich einer Expedition nach Zentralafrika an und war der erste Europäer am Tanganjikasee, dem zweitgrößten See Afrikas. Als Diplomat war er später unter anderem in Äquatorial Guinea, Brasilien und Damaskus im Einsatz.

Auch seine Übersetzungen sorgten für Aufsehen: Da wären einmal die Geschichten aus Tausendundeine Nacht mit ihren oft erotischen Inhalten, die man im 19. Jahrhundert als obszön und pornographisch verurteilte. Richard Francis Burton ließ sich davon nicht abhalten: Er übersetzte die Texte ohne zu kürzen oder zu zensieren.

Auch an ein noch gewagteres Werk traute er sich heran: Er übersetzte als erster das Kamasutra, das indische Lehrwerk über Erotik und Liebe, ins Englische. Unterstützung erhielt er dabei von den beiden indischen Gelehrten Bhagavanlal Indrajit und Shivaram Parashuram Bhide.

Constance Garnett (1861-1946)

Constance Garnett war eine der ersten Übersetzerinnen von russischen Autoren wie Leo Tolstoi, Fjodor Dostojewski und  Anton Tschechow. Erst dank ihrer Übersetzungen aus dem Russischen erlangten diese Schriftsteller eine größere Bekanntheit im englischsprachigen Raum. Das Constance Garnett überhaupt zu einer der wichtigsten Russisch-Übersetzerinnen wurde, ist einem Zufall zu verdanken.

Denn eigentlich hatte Constance am Newnham College in Cambridge Latein und Griechisch studiert. In London lernte sie später ihren Ehemann, Edward Garnett, kennen. Im Sommer 1891, zwei Jahre nach ihrer Hochzeit und schwanger mit ihrem einzigen Kind, machte sie die Bekanntschaft von Feliks Volkhovsky, einem russischen Schriftsteller und Revolutionär. Volkhovsky brachte ihr Russisch bei und machte sie mit der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts vertraut.

Constance Garnett übersetzte insgesamt 71 Bände russischer Literatur, darunter Werke von Tolstoi, Gogol, Dostojewski, Herzen, Turgenew und Tschechow. Ihre Übersetzungen wurden schon von Zeitgenossen gelobt.

Doch Constance Garnett musste sich auch harte Kritik anhören. Der Autor Vladimir Nabokov kritisierte ihre Übersetzungen zum Beispiel als „trocken und flach“. In Nabokovs Augen konnte nämlich ausschließlich ein Mann ein guter Übersetzer sein und niemals eine Frau. Die Zeit hat Constance Garnett jedoch Recht gegeben: Auch heute noch werden ihre Übersetzungen gedruckt, gelesen und bewundert.

Samuil Jakowlewitsch Marschak (1887-1964)

Samuil Jakowlewitsch Marschak ist vor allem bekannt für seine Kinderbücher. Der jüdisch-russische Schriftsteller schrieb viele sehr beliebte Kindermärchen, die zu Klassikern der sowjetischen Kinderliteratur wurden. Auch Gedichte für Kinder verfasste Marschak.

Doch auch als Übersetzer leistete Samuil Jakowlewitsch Marschak herausragendes. Bereits während seines Studiums der Anglistik übersetzte er Werke von William Butler Yeats, William Black und anderer englischer Autoren ins Russische. Besondere Anerkennung erhielten aber vor allem seine Übersetzungen der Werke von William Shakespeare. Fast sein ganzes Leben lang beschäftigte sich Marschak mit dem englischen Dramatiker und Lyriker.

Die Übersetzung der Sonette und Dramen ins Russische war ein anspruchsvolles Unterfangen, das Marschak genial meisterte. Dank seiner herausragenden Übersetzungen wurden die Texte Shakespears erstmals einem breiteren Publikum in der Sowjetunion zugänglich.

Doch Marschak übersetzte nicht nur englischsprachige Literatur. Auch die Werke Heinrich Heines übersetzte er ins Russische, ebenso wie die Texte jüdischer Autoren in jiddischer und hebräischer Sprache.

Samuel Beckett (1906-1989)

Samuel Beckett war einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Besonders mit seinem existenzialistischen Theaterstück Warten auf Godot setzte der irische Autor neue literarische und dramaturgische Maßstäbe. 1969 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Beckett wurde in Dublin geboren, lebte aber ab seinem 30. Lebensjahr in Paris. Er sprach fließend Französisch und schrieb auch viele seiner Texte auf Französisch. Er verfasste jedoch auch weiterhin Texte auf Englisch – oft wechselte er die Sprache von Text zu Text.

Da lag es nahe, dass Samuel Beckett auch als sein eigener Übersetzer tätig wurde: Was er auf Französisch schrieb, übersetzte er ins Englische und anders herum. Auch Texte anderer Schriftsteller übersetzte Beckett. Unter anderem übersetzte er ein Kapitel aus dem Roman Finnegans Wake des irischen Autors James Joyce ins Französische. Diese Übersetzung war eine besondere Herausforderung, denn Joyce hatte seinen Roman in einer wilden Sprachmischung mit vielen eigenen Wortkreationen geschrieben.

Edward Seidensticker (1921-2007)

Edward Seidensticker gilt als einer der besten Übersetzer der japanischen Literatur aller Zeiten. Nachdem er 1942 seinen Universitätsabschluss in Englisch gemacht hatte, besuchte er für 14 Monate die „Japanese Language School“ der US Navy. Dort lernte er genug Japanisch, um bei den Verhören japanischer Kriegsgefangener als Dolmetscher zu fungieren. Nach Kriegsende kam Seidensticker erstmals nach Japan – er war sofort fasziniert von der japanischen Kultur.

Seidensticker studierte daraufhin japanische Literaturwissenschaften und widmete sein Leben der japanischen Sprache. Er lebte lange Jahre in Tokyo, unterbrochen von Lehraufträgen in den Universitäten von Stanford, Michigan und Columbia.

Im Jahr 1976 erschien seine Übersetzung des fast 1000 Jahre alten Romans Genji Monogatari (dt. „Die Geschichte vom Prinzen Genji“). Dabei handelt es sich um den ersten Roman der japanischen Literaturgeschichte. Seidensticker gelang eine geniale Übersetzung dieses literarischen Meisterwerks.

Noch heute gilt seine Übersetzung als maßgeblich. Und das, obwohl der Roman alles andere als einfach geschrieben ist. Die Grammatik ist unfassbar komplex und die vielen Höflichkeitsformen unterbrechen immer wieder den Lesefluss. Besonders herausfordernd: Im Text kommen keine Personennamen vor, denn das galt zur Entstehungszeit des Romans als unhöflich. Seidensticker meisterte alle diese Herausforderungen bravourös.

Auch moderne japanische Literatur übersetzte Seidensticker. Seine Übersetzungen der Werke von Yasunari Kawabata, Jun’ichirō Tanizaki, und Yukio Mishima sorgten dafür, dass Menschen auf der ganzen Welt auf die japanische Literatur aufmerksam wurden. Für Yasunari Kawabata ebneten die Übersetzungen wohl auch den Weg zum Literaturnobelpreis 1968.